Dienstag, 22. April 2025
Delegation aus Lidice besucht Bremen
Im Rahmen der langjährigen Verbundenheit Bremens mit Lidice – ein tschechisches Dorf, das als Synonym für den NS-Terror steht – besucht eine Delegation aus Tschechien Ende dieser Woche Bremen. Geplant ist eine Gedenkstunde am Lidice-Denkmal in den Wallanlagen mit Grußworten von Edda Bosse, Präsidentin der Bremischen Evangelischen Kirche, Bürgermeister Dr. Andreas Bovenschulte und dem Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche, Pastor Dr. Bernd Kuschnerus.
Vom 24. bis 27. April ist die Delegation aus dem tschechischen Lidice zu Gast in Bremen. Am Freitag, 25. April ab 10 Uhr findet eine Gedenkveranstaltung am Lidice-Denkmal in den Wallanlagen statt. Vertreterinnen und Vertreter aus Lidice werden dort Rosen niederlegen. Bürgermeister Andreas Bovenschulte, Pastor Bernd Kuschnerus, Schriftführer, und Edda Bosse, Präsidentin der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), sprechen Grußworte.
Am 10. Juni 1942 überfiel ein "Sonderkommando" der Gestapo, der Schutzpolizei und der SS das tschechische Dorf Lidice. Dort wurden alle 178 Männer, die älter als 15 Jahre waren, erschossen, 195 Frauen in das KZ Ravensbrück deportiert, wo 52 von ihnen ermordet wurden. Von den knapp 100 Kindern des Dorfes wurden 86 im Vernichtungslager Kulmhof ermordet und neun zur sogenannten "Germanisierung" verschleppt. Der kleine böhmische Ort nahe Prag wurde anschließend vollkommen zerstört und dem Erdboden gleichgemacht. Das Massaker war laut Nazi-Propaganda eine "Vergeltungsmaßnahme" für das Attentat auf Reinhard Heydrich, Gestapo-Chef und sogenannter “Stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren", der im Mai 1942 in Prag Opfer eines Mordanschlags wurde. Der hochrangige Nazi war als “Henker von Prag” verhasst, der die tschechische Bevölkerung rücksichtslos ausbeutete und mit drakonischen Maßnahmen unterdrückte, inhaftierte und ermorden ließ.
Zu den Opfern von Lidice und Ležáky (am 24. Juni 1942) kommen 3.188 im Sommer 1942 zum Tode verurteilte Tschechen, davon 477 aus dem einzigen Grund, dass sie das Attentat auf Heydrich ‚gutgeheißen‘ hatten.
Die Erinnerung an das grausame deutsche Kriegsverbrechen verbindet Bremen und Lidice. Nach Kriegsende entstand unweit des ehemaligen Dorfes ein neues Lidice. Eine Gedenkstätte und ein Museum erinnern an eines der berüchtigtsten Massaker der Nationalsozialisten.
Die Gründung der Bremer Lidice-Initiative 1979 geht auf den 2022 verstorbenen ehemalige Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche, Pastor Ernst Uhl, zurück.
Wir nannten uns Lidice-Initiative, um von vornherein klarzumachen:
Wir wollen die schuldbeladene Vergangenheit ansprechen, die zwischen Deutschen und Tschechen stand. Als Christ habe ich mir keinen anderen Zugang vorstellen können und über die Jahre ist so etwas wie Freundschaft entstanden.
So erinnerte sich Ernst Uhl 2002 in einem Interview. Als Sprecher der Gruppe gelang es ihm Ende der 1990er Jahre, 300.000 D-Mark an Spenden zu sammeln. Mit dem Geld wurde in dem Dorf, das die tschechische Regierung nach 1945 wieder aufbauen ließ, die Begegnungsstätte "Oase" eröffnet.
In den Bremer Wallanlagen entstand auf Betreiben der Initiative 1989 das erste Lidice-Denkmal auf deutschem Boden. Ernst Uhl hat sich zeitlebens für Frieden und Verständigung und die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit eingesetzt und zahlreiche Jugendfahrten nach Lidice organisiert. 1994 wurde Uhl zum Ehrenbürger von Lidice ernannt.
In Erinnerung an das deutsche Kriegsverbrechen gibt es in Lidice eine Gedenkstätte, die jedes Jahr von Menschen aus aller Welt besucht wird. Im Garten des Friedens und der Versöhnung unterstützte die Lidice-Initiative 2002 die Anpflanzung von 1.000 Rosen. Mittlerweile blühen den Sommer mehr als 25.000 Rosen. Im Mai 2024 haben Schriftführer Pastor Bernd Kuschnerus und Präsidentin Edda Bosse bei ihrem Besuch in Lidice im Namen der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) eine weitere Rose gepflanzt.
Die Gastfreundschaft der Bürgerinnen und Bürger von Lidice,
ihre Gesten der Versöhnung und der Freundschaft,
haben mich tief beeindruckt.
So BEK-Präsidentin Edda Bosse über ihren Besuch in Tschechien. In mehreren Gesprächen mit Veronika Kellerová, der Bürgermeisterin des neuen Dorfes Lidice, und weiteren ehrenamtlich engagierten Bürgerinnen und Bürgern, hat die Bremer Delegation im vergangenen Jahr weitere Begegnungen vereinbart, u.a. mit der Evangelischen Jugend Bremen, der Studierendengemeinde und Konfirmandengruppen. Der aktuelle Besuch der tschechischen Delegation in Bremen ist ebenfalls Teil dieser Verabredungen.
So wollen wir der Opfer der Gräueltaten durch die deutschen Besatzer gedenken
und dazu beitragen, dass sich solche grausamen Untaten nicht wiederholen.
Das betont Pastor Bernd Kuschnerus, der im Mai 2024 in der evangelischen Gemeinde von Klatnow (nahe Lidice) im Sonntagsgottesdienst die Predigt hielt. Darin verwies er darauf, dass Voraussetzung für die Zukunft sei, sich an die Vergangenheit zu erinnern:
"Das sage ich bewusst als Deutscher. Denn Schuld geht nicht weg, auch nicht durch Vergebung. Wer von uns könnte die schrecklichen Verbrechen, das furchtbare Leid rückgängig machen? Aber es ist Barmherzigkeit, wenn aus Schuld etwas Neues erwachsen kann. So wollen wir der Opfer der Gräueltaten durch die deutschen Besatzer gedenken und dazu beitragen, dass sich solche grausamen Untaten nicht wiederholen."