Dienstag, 03. Dezember 2024

Bremische Evangelische Kirche will Dialog über das Kirchenasyl fortsetzen

In der evangelischen Kirchengemeinde Bremen-Neustadt verhinderten in der vergangenen Nacht rund 100 Menschen durch friedlichen, zivilen Ungehorsam die Abschiebung eines 25-jährigen Somaliers aus dem Kirchenasyl. Gemeindepastor Thomas Lieberum ließ die Glocken läuten, Gemeindemitglieder und weitere Unterstützer blockierten den Zugang zum Gemeindezentrum Zion in der Kornstraße.

Es war der erste Versuch in Bremen, behördlicherseits ein Kirchenasyl aufzuheben. 

Dazu erklärt der Schriftführer der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK), Pastor Dr. Bernd Kuschnerus: 

„Das Kirchenasyl ist und bleibt ein wichtiger, unverletzlicher Schutzraum in besonderen Härtefällen. Es gab dazu in Bremen bisher gute und verlässliche Verfahrenswege im Dialog zwischen der Innenbehörde und den Kirchen. Das jetzige Vorgehen gegen ein Kirchenasyl in der Bremer Neustadt ist eine deutliche Abweichung von dieser bisherigen, gemeinsamen Linie von Staat und Kirchen.

Wir sehen, dass die Behörde und der Innensenator politisch unter Druck stehen. Die politische Stimmungslage mag schwierig sein, als Kirche fühlen wir uns verpflichtet die einzelnen Menschen im Blick zu haben. Unser Auftrag ist, ihnen zur Seite zu stehen.

Wir bedauern sehr, dass heute Nacht behördlicherseits der Versuch unternommen wurde, das Kirchenasyl im Gemeindezentrum Zion in der Bremer Neustadt aufzuheben. Ich empfinde dies als ein deutlich anderes Vorgehen, als wir es bisher erlebt haben.

Ich habe die Erwartung, dass wir zu dem bisherigen guten Einvernehmen zwischen Staat und Kirchen zurückkehren. Die Fluchtgründe der Menschen, ihre Schicksale, ihre Erfahrungen mit Gewalt und Folter lassen uns nicht kalt. Über 100 Menschen haben das Kirchenasyl im Gemeindezentrum Zion heute Nacht durch ihren zivilen Widerstand geschützt. Wir sehen das als ein wichtiges Zeichen, dass es in Bremen keine Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal geflüchteter Menschen gibt.

Jedes Kirchenasyl prüft der Verein Zuflucht – Ökumenische Ausländerarbeit in Bremen vorab sehr sorgfältig. Die allermeisten Anfragen werden abgelehnt. Wer in Gemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche nach dieser intensiven Einzelfallprüfung Kirchenasyl bekommt, hat aus unserer Sicht tatsächlich tragfähige Gründe.

Die ausführlichen Beschreibungen in den Dossiers, die die Kirchengemeinden und Zuflucht e.V. für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) erstellen, müssen aber auch genau gelesen und geprüft werden. Ablehnungen müssen seitens des BAMF begründet werden. Das ist in diesem Fall offenbar leider nicht gegeben. Uns geht es darum, dass rechtsstaatliche Verfahren eingehalten werden und es nicht zu pauschalen Ablehnungen kommt.

Als Kirche können wir die Flüchtlingsthematik insgesamt nicht lösen und Kirchenasyl ist kein rechtsfreier Raum. Aber wir haben in Deutschland ein Asylrecht und wir wollen, dass das eingehalten wird.

Ich setzte darauf, dass wir gemeinsam mit der bremischen Politik trotz des Drucks von Außen auf den bisherigen Weg des Dialogs zurückkehren, um gemeinsam tragfähige Lösungen für humanitäre Härtefälle zu finden. Wir appellieren deshalb an Innensenator Ulrich Mäurer, zum bisherigen, guten Verfahren zurückzukehren.“

Hintergrund:
Aktuell gibt es in Bremen zwölf Kirchenasylfälle, in diesem Jahr waren es bisher bereits rund 100. „Bis 2020 gab es in Bremen jährlich etwa 20 bis 35 Kirchenasyl-Fälle", berichtet Lars Ackermann, Leiter von Zuflucht e.V.. „2023 waren es 95 Fälle und im laufenden Jahr sind es bereits 97 Kirchenasyle. 80 Anfragen pro Woche erreichen uns. Wir prüfen die Fluchtgeschichten, Fotos und Dokumente genau auf Glaubwürdigkeit, beraten und vermitteln Kirchenasyl in Bremer Gemeinden. Doch nur wenige humanitäre Härtefälle bekommen tatsächlich Kirchenasyl.