Donnerstag, 19. Mai 2022

Kirchentag: Bericht zu sexualisierter Gewalt

Jutta Schmidt, stellvertetende Leiterin der Kirchenkanzlei, ist seit Jahren Ansprechpartnerin in Fragen sexualisierter Gewalt. Vor dem Kirchentag berichtete sie über die Umsetzung der im Mai 2021 verabschiedeten Gewaltschutzrichtlinie und Empfehlungen für Schutzkonzepte.

Jutta Schmidt betonte, es sei ein zentrales Anliegen der BEK, Vorfälle sexueller Gewalt und Machtmissbrauch zu verhindern und geschehenes Unrecht aufzuarbeiten. Dabei komme es auf Unabhängigkeit der Aufarbeitung und die Einbeziehung Betroffener an.

Zwei Hinweise auf sexuell grenzverletzendes Verhalten von Mitarbeitenden in den 50er und 70er seien bislang bekannt geworden, so Jutta Schmidt weiter. Da die Beschuldigten mittlerweile verstorben seien, ginge es in diesen Fällen darum, gemeinsam mit den Betroffenen Lösungen zu finden und sie bei der Verarbeitung des Erlebten zu unterstützen. Dazu gehöre auch der durch Medienberichte öffentlich gewordene Fall des 1992 verstorbenen Dompastors Abramzik. Seit der Berichterstattung hätten sich weitere Betroffene und Zeitzeugen gemeldet. Inzwischen sei dieser Fall in die Aufarbeitung durch die multiperspektivische wissenschaftliche FORUM-Studie aufgenommen worden. Bei allen Verdachtsfällen gehe es zudem stets darum, die Partizipation Betroffener sicherzustellen und Strukturen zu identifizieren, die sexualisierte Gewalt ermöglichen.

Auch in den Kitas habe es vereinzelte Hinweise auf verdächtige Vorgänge gegeben. Derartige Hinweise würden unverzüglich bearbeitet, Ermittlungsbehörden eingeschaltet, Verdächtigte vom Dienst freigestellt. Ferner erfolge eine Meldung bei der Senatorin für Kinder und Bildung.

Jutta Schmidt hob auch die verschiedenen Aspekte der Prävention hervor: regelmäßige Risikoanalyse in den Kitas sowie die Förderung der sexuellen Entwicklung von Kindern im pädagogischen Konzept und in der Elternarbeit. Ziel sei es auch,  Gewalt- und Grenzverletzungen besprechbar zu machen. Dazu gäbe es entsprechende Schulungen für Haupt- und Ehrenamtliche. Jutta Schmidt appellierte an die Delegierten, in der Gemeindearbeit

  1. das eigene Gefühl ernst zu nehmen,
  2. alle Auffälligkeiten zu dokumentieren,
  3. Aussagen von Kindern und Jugendlichen immer ernst nehmen,
  4. keine Alleingänge zu unternehmen, sondern immer nach dem 4-Augen-Prinzip vorzugehen und Beratung einzuholen,
  5. das eigene Wohl im Blick zu behalten, falls man selbst einmal sexuelle Gewalt erfahren musste und dann die Bearbeitung des Vorfalls abzugeben,
  6. das Thema in den Teams besprechbar zu machen.

„Gute Aufarbeitung und transparente Intervention sind die Basis für Prävention“, fasste Schmidt ihre Ausführungen zusammen. und stellte Pastorin Heike Wegener als neue BEK-Präventionsbeauftragte vor, die alle Gemeinden und Einrichtungen dabei unterstützt, Prävention zum Wohl von Kindern, Jugendlichen und Schutzbefohlenen zu optimieren und passende Schutzkonzepte zu entwickeln.

Die Delegierten des Kirchentages beschlossen,  dass die BEK Maßnahmen für eine
umfassende Aufarbeitung sexualisierter Gewalt auf den Weg bringen soll. Betroffene sind zu beteiligen und externe Expertise ist einzubeziehen. Außerdem soll eine Regionale Aufarbeitungskommission in Kooperation mit der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen gegründet werden.