Donnerstag, 30. Januar 2025

"Bremische Evangelische Kirche bleibt eine wichtige Stimme in der Stadt"

Das Kirchenparlament bereitet die Wahlen im Mai vor und der Schriftführer blickt auf die vergangene Session (2019-2024) zurück.

Heute hat sich der Kirchentag, das Kirchenparlament der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK) neu konstituiert. Es war die erste Sitzung der neuen Sitzungsperiode (XIV. Session, 2025-2030), insgesamt die 166. Sitzung des Kirchentags. Das neue Kirchenparlament hat zunächst 115 Delegierte, die aus den 50 Gemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche kommen. 

Am 21./22. Mai 2025 kommen noch weitere 14 Einzeldelegierte (beispielsweise aus dem Bereich der Gesamtkirche und kirchlichen Einrichtungen, der Mitarbeitendenvertretungen usw.) sowie acht Jugenddelegierte dazu, die von den gemeindlichen Delegierten gewählt werden. Dann werden die Ausschüsse des Kirchenparlaments und der Kirchenausschuss, das oberste Organ der Bremischen Evangelischen Kirche gewählt. U.a. stehen dann auch die Wahl des/der Präses (bisher: Kirchenpräsidentin) und des/der Kirchenpräsidenten/ Kirchenpräsidentin (bisher: Schriftführer) auf der Tagesordnung. Ebenfalls wird im Mai die Leitung der Kirchenverwaltung (bisher: Kirchenkanzlei) auf zehn Jahre gewählt.

Nominierungsausschuss bereitet Wahlen im Mai vor

Um diese Wahlen vorzubereiten, hat der Kirchentag heute einen Nominierungsausschuss gewählt.

Für den Nominierungsausschuss waren vorgeschlagen: Pastor Frank Mühring (Oberneuland), Pastorin Sophia Fürst (Mirjam-Gemeinde), Pastor Andreas Schröder (St. Matthäus-Gemeinde Huchting), Pastorin Heike Wegener (Horn + Präventionsbeauftragte Sexualisierte Gewalt), Anja Theilkuhl (Alt-Hastedt/Hastedter Kooperation), Doris Nauland (Brückengemeinden), Susanne Böttcher (Gemeinde Aumund-Vegesack), Thomas Röwekamp (Gemeinde der Bürgermeister Smidt-Gedächtniskirche Bremerhaven), Evelyn Pusch (Verwaltende Kirchenvorsteherin St. Jakobi Gemeinde), Ulrike Diedrich (Epiphaniasgemeinde Gartenstadt-Vahr), Detlev Hansing (Gemeinde Blumenthal), Rosemarie Schwertfeger (Gemeinde Gröpelingen-Oslebshausen). 

In den Nominierungsausschuss gewählt wurden bis auf Thomas Röwekamp alle vorgeschlagenen Kandidierenden. Der CDU-Bundestagsabgeordnete hatte das erforderliche Quorum von 41 Stimmen knapp verfehlt. Zuvor hatte Pastor Jasper von Legat (Friedensgemeinde und Friedensbeauftragter der Bremischen Evangelischen Kirche) das gestrige Abstimmungsverhalten der CDU gemeinsam mit der in Teilen gesichert rechtsextremen AfD im Bundestag kritisiert. Röwekamp hatte dem Entschließungsantrag seiner Fraktion für eine schärfere Migrationspolitik zugestimmt, der mit Unterstützung der AfD eine Mehrheit im Bundestag fand. Die Frage sei, ob man angesichts dieses Abstimmungsverhaltens ein CDU-Bundestagsabgeordneten ohne Weiteres in den Nominierungsausschuss gewählt werden könne, so Pastor Jasper von Legat.

Schriftführerbericht: Rückblick & Ausblick

Schriftführer Pastor Dr. Bernd Kuschnerus blickte in seinem Bericht auf die vergangene Session zurück. Er erinnerte zunächst an die bis in das Jahr 2023 hinein reichende Coronazeit im Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Infektionsschutz und dem Bedürfnis nach Gemeinschaft und Arbeitsfähigkeit der Kirche. 

Er ging auf den Stand der Digitalisierung in der BEK und das Verfahren wegen Volksverhetzung gegen einen Pastor der BEK, das letztlich gegen Auflage eingestellt wurde. Das Disziplinarverfahren läuft jedoch weiter. „Wenn es überhaupt irgendetwas Gutes gibt, das ich aus dieser Situation behalten möchte, dann ist es dieser gegen verbale Gewalt gerichtete Rückhalt“, erklärte Kuschnerus mit Blick auf die vielen unterstützende Zusprüche und Zuschriften.

Der Schriftführer würdigte auch den mehrjährigen Prozess zur Erarbeitung einer neuen Kirchenverfassung, die im vergangenen Jahr vom Kirchentag beschlossen wurde und seit dem 1. Januar in Kraft ist. „Die traditionelle Glaubens-, Gewissens- und Lehrfreiheit wurde in vollem Umfang beibehalten, ein diesem Grundsatz entsprechend wirksamer Minderheitenschutz wurde zudem eingeführt.“

Außerdem ging der Schriftführer ausdrücklich auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ein. Er würdigte u.a. die regelmäßigen Friedensgebete in Bremen, den Chor Gloria UA unter Leitung von Yana Wehrmuth und die mehr als 110 Hilfstransporte von Bremen in die Ukraine, die im Netzwerk von Hansestadt Bremen, der von Bremer Unternehmen, den Firmen Buhlmann und Hansa-Flex, getragenen Stiftung Solidarität Ukraine sowie der Bremischen Evangelischen Kirche. Pastor Andreas Hamburg habe hier ein großartiges Netzwerk aufgebaut. Der Schriftführer dankte ihm für sein großartiges Engagement. Auch Bernd Kuschnerus war gemeinsam mit Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer im vergangenen Oktober in der Ukraine und besuchte Hilfsprojekte in der Region Odessa.

Kuschnerus erinnerte zudem ausführlich an die vielfältigen, gelungenen Aktionen im Rahmen der Orte der Wärme. „Es tut gut, sich daran zu erinnern, wie diese über 100 Projekte bremenweit gegen soziale und kalte Temperaturen gewirkt haben. Viele werden auch jetzt weitergeführt“, so der Schriftführer.

In einem weiteren Berichtsteil berichte Bernd Kuschnerus zum Stand der Aufarbeitung sexualisierte Gewalt in der BEK. „Wir haben trotz unseres obersten Ziels, immer an der Seite der Betroffenen zu stehen, in der Vergangenheit Fehler gemacht und bedauern dies zutiefst.“ Die unabhängige ForuM-Studie im vergangenen Jahr habe deutlich dazu beigetragen, „dass in unserer Kirche offener über sexualisierte Gewalt gesprochen wird.“

Auf vielen Ebenen werde in der Evangelischen Kirche in Deutschland und auch in der Bremischen Evangelischen Kirche an den Konsequenzen aus der Studie gearbeitet. So gibt es eine neue Struktur der Bearbeitung von Meldungen. Seit dem 1. Mai 2024 hat die BEK eine eigene Fachstelle sexualisierte Gewalt eingerichtet, die zum 1. März 2025 von einer halben auf eine volle Personalstelle aufgestockt wird. Außerdem gibt es eine halbe Stelle, die regelmäßigen Schulungen für Mitarbeitende zum Thema sexualisierte Gewalt, um die Prävention auszubauen und Schutzkonzepte in allen Gemeinden zu erstellen.

„Jeder Fall sexualisierter Gewalt ist ein Fall zu viel. Wir werden nie hundertprozentig sagen können: Das gibt es bei uns nicht. Unser grundsätzliches Ziel ist, dass wir alles dafür tun, um die Gefahr sexualisierter Gewalt zu minimieren. Wir gehen jeder Meldung nach und stellen uns an die Seite der Betroffenen. Wir können uns als Kirche keine Selbstgefälligkeit erlauben. In den Meldungen zeigt sich, dass wir im Unterschied zu unserem Selbstbild leider keine Kirche sind, die sicher war. Wir bedauern das zutiefst“, so Kuschnerus.

Der Schriftführer ging auch auf die Gespräche zwischen den Religionsgemeinschaften in Bremen ein, das nach dem brutalen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und den darauffolgenden grausamen Kämpfen vor große Herausforderungen gestellt sei. „Wir lassen die Gesprächsfäden nicht abreißen. Auf dem Kirchentag im März 2024 haben wir für den Frieden gebetet. Dort haben wir gemeinsam der Menschen in Israel gedacht, die unter dem Terror der Hamas leiden, insbesondere derer, die gefoltert und getötet und entführt wurden. Wir haben auch der Zivilpersonen in Gaza gedacht, die in so entsetzlicher Weise von der Gewalt des Krieges getroffen werden. Ebenso haben wir Gott um den Mut gebeten, gegen jede Form des Antisemitismus aufzustehen und laut zu werden, wenn Menschen aufgrund ihrer Religion und ihrer Herkunft angegriffen und diskriminiert werden.“

Kuschnerus erinnerte an das weltweite Leiden von Menschen auf der Flucht. Die BEK sei Teil des Bündnisses United4rescue, das sich für zivile Seenotrettung auf dem Mittelmeer einsetzt. „Die Bremische Evangelische Kirche ist schon lange in der Begleitung und Unterbringung Geflüchteter aktiv. Sie engagiert sich dafür, dass der Bremer Senat alle politischen Handlungsspielräume für die Seenotrettung und ein humanitäres Aufenthaltsrecht nutzt.“ 

Das Kirchenasyl stehe in den letzten Monaten und Jahren politisch immer stärker unter Druck, erklärte Kuschnerus: „Im Land Bremen ist die Praxis des Kirchenasyls und der staatliche Umgang mit ihr in den politischen Streit der Parteien geraten. In die Schlagzeilen geriet, dass die Zahlen von Kirchenasylen im Land Bremen gemessen an der Bevölkerungszahl im Vergleich zu anderen Bundesländern deutlich höher liegen.“ Dem Kirchenausschuss sei es wichtig, im rechtsstaatlichen Rahmen zu handeln. „Dieser Haltung entspricht, die Entscheidungshoheit des Staates auch in der Frage des Kirchenasyls zu respektieren. Der Kirchenausschuss erwartet daher von den Gemeinden der Bremischen Evangelischen Kirche, die sich in Gewissensentscheidungen zur Gewährung von Kirchenasyl entschließen, dass sie in ihrem Handeln das hohe Gewicht der rechtstaatlichen Entscheidungen vor Augen haben. Der Kirchenausschuss der Bremischen Evangelischen Kirche appelliert an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und bringt sein Anliegen zum Ausdruck, dass der jeweilige konkrete Einzelfall sorgfältig geprüft wird. Dabei ist es von großer Bedeutung, die individuellen Belange sowie mögliche besondere Härten angemessen zu berücksichtigen.“ 

Wenn die BEK das Instrument des Kirchenasyls auch in Zukunft in der bestehenden Art und Weise erhalten wollen, müssten alle in der BEK achtsam damit umgehen. 

Die konstruktiven Gespräche zwischen dem Senator für Inneres und Sport und der BEK gehen weiter. Vereinbart wurde, dass die Gewährung von Kirchenasyl auch künftig der Ausnahmefall bleiben soll und es keine länderübergreifende Kirchenasyle mehr geben wird. Seitens des Innensenators wurde im Rahmen der Vereinbarung zugesagt, kirchliche bzw. sakrale Räume als geschützte Räume auch künftig zu akzeptieren. „Wir werden weiterhin mit unseren Gemeinden und Nachbarkirchen und den staatlichen Stellen den intensiven Austausch zum Thema Kirchenasyl suchen, um zu Lösungen zu kommen.“

Abschließend ging Kuschnerus auf den Veränderungsprozess innerhalb der BEK ein. Zum 1. Januar 2019 hatte die BEK 185.219 Mitglieder, zum Jahreswechsel 2024/25 gehörten der Bremischen Evangelischen Kirche noch 151.711 Mittglieder an. Der Kirchentag habe mit Kürzungsbeschlüsse und einer Gebäudestrategie auf diese Entwicklung reagiert. Der Gebäudebestand soll bis 2030 um 30 Prozent reduziert werden, Ausgabenkürzungen um 30 Prozent bis 2030 sind ebenfalls beschlossen. „Entschlossen und mutig haben Gemeinden in Kooperationen und in Fusionsprozessen an einer gemeinsamen Perspektive für ihren Stadtteil gebaut“, lobte Kuschnerus die Bereitschaft, sich den Herausforderungen durch die Mitgliederentwicklung zu stellen: „Wir müssen uns anstrengen, um handlungsfähig zu bleiben. Zugleich wäre es falsch, den Kopf zu verlieren. Kirchentag, Kirchenausschuss und Kirchenverwaltung tragen gemeinsam dazu bei, dass die Bremische Evangelische Kirche auch in schwierigen Zeiten den ihr gegebenen Auftrag möglichst gut erfüllen kann.“ 

Der Schriftführer zeigte sich überzeugt, dass die Bremische Evangelische Kirche auch in Zukunft eine wichtige Stimme in unserer Stadt bleiben werde:

„Unsere Kirche wird auch unter veränderten Bedingungen das Evangelium von Jesus Christus bezeugen, weiterhin für Bedürftige und ratsuchende Menschen in unserer Stadt da sein und sich für den Frieden einsetzen. Sie wird eine wichtige zivilgesellschaftliche Rolle einnehmen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken.“

 

Hintergrund:

Der Kirchentag ist das Parlament der Bremischen Evangelischen Kirche (BEK). Für die Amtszeit von 2025 bis 2030 gehörten ihm 115 Delegierte aus den Gemeinden an, 14 weitere Einzelmitglieder aus gesamtkirchlichen Arbeitsfeldern sowie acht Jugenddelegierte. Die Parlamentarier sind zu etwa zwei Dritteln theologische Laien, da in der BEK das Laien- und Mitspracheelement eine herausgehobene Bedeutung hat. Der Altersdurchschnitt des Kirchenparlaments hat sich, auch motiviert durch die neue Verfassung, die der Beteiligung junger Menschen eine deutlich breitere Basis gibt, deutlich verjüngt. Ein exakter Altersdurchschnitt kann aber erst nach der Wahl der Einzel- und Jugenddelegierten ermittelt werden. Der Frauenanteil liegt im neuen Kirchenparlament bei 54 Prozent (bezieht man die stellvertretenden Delegierten mit ein, bei rund 50 Prozent). Die ehrenamtlich tätigen Delegierten kommen aus unterschiedlichen Berufsfeldern. Sie sind z.B. in der Verwaltung tätig, Lehrerinnen, Handwerker, Künstler oder Wissenschaftlerinnen. Die Delegierten beraten und beschließen beispielsweise die kirchlichen Gesetze, Finanzen und Projekte. Das Parlament tagt regelmäßig zwei Mal jährlich, im Frühjahr und im Herbst.