Deshalb bin ich Pastor*in

„Es ist okay, die Dinge zu hinterfragen“

Richard Jamieson

Theologie-Student in Bochum

Nach dem Abi habe ich zuerst eine Ausbildung zum Speditionskaufmann angefangen. Ich habe sie jedoch bald abgebrochen, weil ich gemerkt habe, dass ein reiner Bürojob nichts für mich ist. Anschließend habe ich meinen Zivildienst in einer Behinderteneinrichtung in Hessen gemacht. Mit dem verdienten Geld bin ich für ein halbes Jahr backpacken gewesen – in Südostasien.

Meine Oma war sehr kirchlich, sodass es für mich selbstverständlich war, mich konfirmieren zu lassen. Nach der Konfirmation ließ mein Interesse an Kirche aber – wie bei vielen anderen Jugendlichen – rapide nach.

An die Stelle der Kirche trat ein großes Interesse an Spiritualität, insbesondere am Buddhismus. Auf meiner Reise durch Asien habe ich sogar für einige Tage in einem buddhistischen Kloster gelebt. Jedoch habe ich auf der Reise auch gemerkt, dass die religiösen Traditionen sehr von der Kultur abhängen, in der man aufwächst. Viele Aspekte des in Asien gelebten Buddhismus konnte ich nicht richtig nachvollziehen und in mein Leben integrieren. Also beschloss ich, nach meiner Reise bei den eigenen Wurzeln zu suchen und mich wieder mehr mit der Kirche zu beschäftigen.

In diesem Rahmen kam auch die Idee auf, Theologie zu studieren. Es ist der einzige Studiengang in Deutschland, der Spiritualität nicht nur zulässt, sondern sich explizit damit befasst. Da ich mir aber doch noch nicht ganz sicher war, entschied ich mich erst mal für ein Praktikum bei dem Pastor meiner Heimatgemeinde.

Es war sehr bewegend, zu sehen, mit welch unterschiedlichen Menschen und über welche Themen man als Pastor ins Gespräch kommt. Man arbeitet mit jungen und alten Menschen, begleitet sie durch das Leben, bei glücklichen und traurigen Ereignissen. Sogar die Beschäftigung mit dem Tod, über den eigentlich niemand gerne redet, spielt als Pastor eine bedeutende Rolle.

Besonders toll fand ich, dass mein Pastor in der Bremer Initiative „Stadtplan der Religionen“ aktiv war. Hier wurden interreligiöse Dialoge für Jugendliche angeboten. Diese Dialoge haben mir die Vielfalt des Pastorenberufs bewusst gemacht und auch, dass man den Begriff „Christentum“ gar nicht so eng sehen muss, wie man zuerst vielleicht denkt. Mit dem guten Gefühl aus dem Praktikum habe ich den Schritt gewagt, Theologie zu studieren.

Es klingt vielleicht komisch, wenn ich schreibe, dass ich „den Schritt gewagt“ habe – das Ganze war für mich jedoch nicht so einfach. Ich war als Jugendlicher nicht so in der Kirche aktiv, wie viele andere, die anfangen Theologie zu studieren. Zudem haben all meine Bremer Freunde nichts mit Kirche am Hut. Es war anfangs wirklich schwer zu erklären, warum ich mich auf einmal für so ein spezielles und auch irgendwie „freakiges“ Studium entscheide. Außerdem hatte ich natürlich auch selbst Zweifel. Sie begleiten mich bis heute. Aber ich habe gemerkt, dass es auch gut ist, mal zu zweifeln und Dinge zu hinterfragen.

Jetzt stehe ich kurz vor dem Studienende und kann sagen, dass es wirklich eine gute Entscheidung war, das lange Theologiestudium durchzuziehen: Ich habe mich zum einen mit extrem spannenden Themen auseinandergesetzt. Zum anderen habe ich – und das ist noch wichtiger – viele interessante und tolle Leute kennengelernt, unter anderem auch in der Bremischen Evangelischen Kirche. Mit ihnen kann ich mich ehrlich austauschen und habe einfach immer wieder eine inspirierende Zeit.