22 bremer kirchenzeitung März 2021 kirche bremen de Meine Schwangerschaft verlief unauffällig bis zu dem Untersuchungstermin nach dem mich mein Frauen arzt zur Pränataldiagnostik überwies Sein erster Ver dacht Eine erblich bedingte Nierenschädigung Es sei aber wahrscheinlich nichts Ernstes mein Baby sei sonst gut entwickelt sehr groß und lebhaft Ein paar Tage später folgte eine große Untersuchung im Kran kenhaus Die Diagnosen prasselten nur so auf mich ein Polyzystische Nieren Kleinhirnschaden Klump fuß vielleicht kein Magen Herzfehler und die Lungen reifen nicht weswegen meinem Sohn nach der Geburt gleich der Erstickungstot drohte Gibt es etwas Unna türlicheres als dass ein Kind dadurch stirbt dass es geboren wird Ich wollte ihn beschützen Ich sollte entscheiden Sollte sagen wann mein Kind stirbt ob nach neun Monaten oder jetzt im sech ten Schwangerschaftsmonat durch einen Abbruch Von einer Minute auf die andere hatte sich meine gesamte Lebenswelt verkehrt meine Werte wurden in Frage gestellt und Normen existierten nicht mehr Ich hatte keinen blassen Schimmer dass es in Deutsch land überhaupt die Möglichkeit gibt eine so weit fortgeschrittene Schwangerschaft aus medizinischen Gründen abzubrechen Aus meinem Sohn wurde eine medizinische Akte und er bekam die Bezeichnung multiple fetale Fehlbildung Ich hatte Angst wollte ihn beschützen vor der Krankheit vor Schmerzen vor dem Tod und vor den Menschen die über ihn spra chen als sei er nur ein Krankheitsbild Es ist schizo phren wenn alle über den Tod sprechen während das pure Leben in meinem Bauch Purzelbäume schlägt Am Ende der 22 Schwangerschaftswoche wurde ich stationär zur Geburtseinleitung aufgenommen Nach einem sehr verstörenden Arztgespräch in dessen Verlauf ich gefragt wurde ob ich eigentlich immer so depressiv sei oder ob das mit meiner Schwanger schaftssituation zu tun hätte führte mir eine Ärztin ein Medikament in den Geburtskanal ein um das Ster ben meines Kindes einzuleiten und ich musste dem zustimmen Ich verlor den Verstand und konzentrierte mich nur auf die nächste Sekunde Irgendwann spürte ich ihn nicht mehr Ich wusste dass ich einen Jungen erwartete und ich hatte ihn schon seit ich von der Schwangerschaft wußte Benjamin Name von der Redaktion geändert genannt Benjamins Toben unter den Wehen war am Schlimmsten Er wehrte sich nach Leibeskräften gegen den Druck nach unten und ich versuchte mei nem Kind Ruhe zu geben atmete mit den Wehen und sandte ihm meine Gedanken Ich bin bei dir Hab keine Angst Dabei wurde ich selbst von aufsteigen der Panik zusammengeschnürt Die Kälte ertrug ich nicht Ich war zu erschöpft um zu begreifen dass mein Kind irgendwann zu toben aufhörte Ich spürte ihn nicht mehr Am frühen Morgen wurde Benjamin tot gebo ren Es war still in mir Meinen Kopf unter meinem Arm vergraben wagte ich nicht mich zu rühren ich hatte zunächst Angst hinzusehen Ich wollte nicht sehen was ich da spürte nicht hören was ich hörte Schließlich schaute ich doch hin Auf dem Bett in einer Blutlache zwischen meinen Beinen lag mein Sohn Die Hebamme half mir auf den Rücken und ich durfte ihn halten streicheln er war warm Dieser Moment war kurz Denn ich musste direkt nach der Geburt in den OP Die Schwestern schoben mich viel zu schnell aus dem Kreißsaal dabei hatte ich doch keine fünf Minuten zuvor ein Kind bekommen und musste es jetzt schon wieder hergeben Das erste Mal konnte ich weinen als ich nach der OP im Fahrstuhl langsam wieder zu mir kam Im Zimmer wartet mein Mann mit der Hebamme und Benjamin Willst du ihn halten Erschrick nicht er ist so kalt Verrückt er war kälter als die Umgebung schon Zentimeter vor sei Tod in falscher Reihenfolge Erfahrungen einerverwaisten Mutter

Vorschau bkz Ostern 2021 Seite 22
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