10. Dezember 2024
Zuflucht & Schutz
Kirchengemeinden bundesweit gewähren immer wieder Männern, Frauen oder Familien Zuflucht, auch in Bremen. Versuche von Politikern und Polizei, Familien unter Gewalt aus den Kirchen und Gemeinderäumen zu holen, die es in Deutschland durchaus gegeben hat, wurden meist von Demonstrationen und harscher öffentlicher Kritik begleitet. Immer wieder zeigte die Symbolkraft des Kirchenasyls ihre große Wirkung.
Kirchenasyl gibt es seit jeher – religiöse Stätten und Räume galten schon immer als Schutzräume vor Verfolgung. 1983 kam es zum ersten Kirchenasyl in Deutschland. Kirchenasyl ist der letzte Ausweg für wirkliche Härtefälle.
In Deutschland sind laut der Arbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche derzeit 594 aktive Kirchenasyle mit mindestens 780 Personen bekannt. Davon sind etwa 131 Kinder (Stand April 2024). 572 der Kirchenasyle sind sogenannte Dublin Fälle. Das Kirchenasyl ist dazu da, den Gesetzgeber zu einer nochmaligen Prüfung des Abschiebeverfahrens aufzufordern, also eine Denkpause für alle Beteiligten.
Kirchenasyl ist aber auch ein großer finanzieller Aufwand für die Gemeinden: Durch Spenden muss vom Essen bis zur Zahnpasta alles selbst bezahlt werden. Und es erfordert viel ehrenamtliches Engagement, denn Langeweile, Depressionen und mangelnde Privatsphäre machen den Schutzsuchenden zu schaffen. Kirchenasyl ist aber auch in 75 Prozent aller Fälle erfolgreich, d.h., die Geflüchteten erhalten zum Beispiel eine Duldung und müssen nicht mehr illegal leben.
Aus verständlichen Gründen werden wir an dieser Stelle nicht auflisten, wo es Kirchenasyl aktuell in Bremen gibt. Kirchenasyl ist zwar kein rechtsfreier Raum, doch geht es um den Schutz der Grundrechte von Menschen, die in lebensbedrohliche Verhältnisse abgeschoben werden sollen, wo unmenschliche Zustände herrschen oder ihnen Folter und Tod drohen, bevor alle rechtlichen Möglichkeiten in Deutschland ausgeschöpft worden sind. Der Verein Zuflucht e.V. prüft die Anliegen, berät und vermittelt Kirchenasyl in Bremer Gemeinden. Bis 2020 gab es in Bremen jährlich etwa 20 bis 35 Kirchenasyl-Fälle, 2023 waren es 95 Fälle und im laufenden Jahr sind es bereits 97 Kirchenasyle. Zuflucht e.V. geht mit dem Kirchenasyl vorsichtig um und prüft genau: 80 Anfragen pro Woche erreichen Zuflucht e.V., nur wenige humanitäre Härtefälle bekommen tatsächlich Kirchenasyl. Fluchtgeschichten, Fotos und Dokumente werden genau auf Glaubwürdigkeit überprüft. Aktuell: Bremische Evangelische Kirche will Dialog über das Kirchenasyl fortsetzen.
Europa hat sich zu einer Festung entwickelt, die Menschen abwehrt, die vor Krieg oder Bürgerkrieg, vor Umweltzerstörung, Hunger oder Armut fliehen oder politisch, ethnisch oder religiös verfolgt werden. An Europas Außengrenzen sind schon Zehntausende bei dem Versuch gestorben, hier Schutz zu finden. Als Kirche treten wir für eine mitmenschliche Flüchtlingspolitik ein, die auf den humanitären Traditionen Europas basiert. Richtschnur für die Asyl- und Einwanderungspolitik sind für uns Menschenwürde und Menschenrechte. Und deshalb tragen wir mit dem Kirchenasyl dazu bei, Leib, Leben und Würde von Menschen zu schützen. weitere Informationen.
Das europäische Asylrecht ist auch bekannt unter der Bezeichnung “Dublin-Verfahren” Es wurde in Dublin unterzeichnet , trat 1997 in Kraft und wurde mehrfach überarbeitet und auf weitere Staaten angewendet. Es sieht vor, dass Geflüchtete im dem Land, in dem sie erstmals EU-Boden betreten, ihr Asylverfahren beantragen müssen. Dort sind die Lebensbedingungen für Asylbewerber aber vielfach katastrophal, sie bekommen keinerlei Unterstützung und kein faires Verfahren. Stattdessen droht ihnen die schnelle Abschiebung in ihr Heimatland. Um dem zu entgehen, machen sich viele Geflüchtete auf den Weg nach Deutschland. Doch hier möchte man sie möglichst schnell wieder in das Erst-Ankunftsland zurückschicken, weil dieses rechtlich zuständig ist. Prinzipiell kann, außer über den Luftweg, kein Flüchtling hierzulande ankommen und Asyl beantragen, weil Deutschland keine EU-Außengrenzen hat. Rechtlich zuständig sind immer andere EU-Länder mit Außengrenzen, wie z.B. Italien. Einziger Ausweg: Wer sich mehr als sechs Monate in Deutschland aufhält, kann hier sein Asylverfahren beantragen. Deshalb bieten Kirchenasyle in begründeten Fällen Schutz vor Abschiebung und nach dieser Frist die Chance auf ein rechtsstaatliches, faires Verfahren.
Wenn Sie mehr über das Kirchenasyl erfahren möchten, finden Sie unter dem folgenden Link weitere Informationen.
Salman A. (37) aus Syrien
In Syrien herrscht seit 2011 Bürgerkrieg. Das Land liegt in Trümmern, mehr als die Hälfte der Syrer sind im Land auf der Flucht. Der kurdische Arzt Salman A. plante, legal aus Syrien nach Deutschland ausreisen und lernte dafür bereits in Syrien Deutsch. Ein Einberufungsbefehl in die Armee des Diktators Assad zwang ihn aber zur Flucht. Im Oktober 2023 kam er nach einer sechsmonatigen Flucht über die Türkei in Deutschland an. An der bulgarisch-rumänischen Grenze wurde er festgenommen, kaum mit Essen versorgt und musste unter katastrophalen hygienischen Bedingungen leben. Sein Asylantrag in Deutschland wird abgelehnt, er soll zurück nach Rumänien. Er bekam Kirchenasyl in Bremen-Aumund und hat so nach sechs Monaten die Chance auf ein faires Asylverfahren in Deutschland.
Salman hat klare Ziele: „Zuerst muss ich besser Deutsch lernen und eine Prüfung machen. Dann mache ich ein Praktikum oder eine Hospitation im Krankenhaus. Damit ich hier in Deutschland wieder als Arzt arbeiten kann.“